Dienstag, 31. Mai 2022

Kompass ohne Norden

 Hey Bücherträumer!

Ich habe vor einigen Monaten das Buch "Kompass ohne Norden" von Neal Shustermannn gelesen und bin immer noch sehr eingenommen von der Geschichte, weshalb ich euch hier ein neues Lieblingsbuch von mir vorstellen möchte.

Viel Spaß beim Lesen!

LG Eva

Bild (c) privat | Cover (c) Hanser Verlag: Stefanie Schelleis

Autor: Neal Shusterman

Übersetzer: Ingo Herzke

Verlag: Hanser Verlag / dtv-Verlag

Preis: 19,00 EUR [DE, Hardcover]; 
           9, 95 EUR [DE, Taschenbuch]
 
ISBN: Hanser, Hardcover:    978-3-446-26046-7              
              dtv, Taschenbuch:    978-3-423-62719-1
 
Seitenanzahl: 352 (Hanser, Hardcover)
                       336 (dtv, Taschenbuch)
 
Empfohlen ab: 14 Jahre 



Der Inhalt:

Caden hält sich für einen normalen Jungen. Doch sein Verstand ist ein krankhafter Lügner, der sich auf fantastische Reisen begibt. Manchmal befindet Caden sich auf dem Weg zum tiefsten Punkt der Erde im Marianengraben, auf einem Schiff, auf dem die Zeit seitlich läuft wie eine Krabbe, verwittert von Millionen Fahrten, die bis in die finstere Vergangenheit zurückreichen. Und in der Realität lässt Cadens Verstand harmlose Dinge wie einen Gartenschlauch zur tödlichen Gefahr werden. Als die Grenze zwischen realer und fantastischer Welt verschwimmt, begreift Caden: In den Tagen der Bibel hätte er vermutlich als Prophet gegolten, doch heute lautet die Diagnose: Schizophrenie. [Quelle: Hanser Verlag]

 Das Cover:

Das Cover hat für mich weltklasse und setzt dem eh schon grandiosen Buch eine Krone oben drauf. Es weckt zum einen die Neugier des Lesers (zumindest meine) und gleichzeitig spiegelt es auch den Inhalt des Buches wieder. Wie sich das Wirrwarr zu einem Gehirn bildet, das an dem Jungen festgebunden ist und ihn in die Tiefe des Meeres entlässt aber gleichzeig auch oben behält und ihn nicht ganz ertrinken lässt. Es passt auch sehr gut zu dem Inhalt des Buches.

Die Charaktere:

Der Hauptprotagonist ist Caden, die Handlung wird aus seiner Sicht geschlidert, was ziemlich viel Sinn ergibt, da durch seine Perspektive die Schizophrenie am besten vermittelt werden kann. Caden ist eigentlich ein durchschnittlicher Teenager-Junge seines Alters, schreibt gute Noten, hat eine gesunde Beziehung zu seinen Eltern und Freunde die ihn schätzen. Doch dann entwickelt sich bei ihm seine Form der Schizophrenie.

Auch wenn die Geschichte ausschließlich aus Cadens Sicht geschrieben wurde, wird dem Leser dennoch vermittelt, was für Auswirkungen die psychische Erkrankung auf seine Familie und Freunde hat. 

Weiterhin spielen die Charaktere auf dem Schiff eine bedeutende Rolle, auf die ich aber nicht näher eingehen möchte, um nicht zu spoilern, ebenso wenig wie auf das Klinikpersonal.

 Meine Meinung:

Ich kann meine Meinung kaum in Worte fassen, so geflasht bin ich. Aber ich werde es versuchen. 

Das Buch Kompass ohne Norden lässt mich nicht mehr richtig los. Ich habe es im Dezember 2020 beendet und ich denke immer noch sehr oft an die Geschichte und Atmospäre des Buches zurück. Das haben bei mir nur sehr wenige geschafft und jene die das geschafft haben zähle ich zu meinen Lieblingsbüchern, ebenso wie dieses hier. 

Ich glaube ein wichtiger Punkt ist es, dass es Neal Shusterman gelingt, Cadens Form der Schizophrenie unglaublich nachvollziehbar darzustellen und man ein sehr gutes Bild davon bekommt, was es bedeutet damit zu leben. Durch das einfühlsame Erzählen habe ich mich sehr gut in die Situation einfinden können und ein Bruchteil davon miterleben dürfen, was es bedeutet mit Schizophrenie zu leben. Was es bedeutet zwischen verschiedenen Realitäten zu leben, die nicht unterschiedlicher sein könnten, aber dennoch vereint sind. Und was passiert wenn die eigene Welt ins Wanken gerät, man alles und jeden infrage stellt und keinem Menschen mehr richtig vertrauen zu können. Wie es ist, mit dieser psychischen Störung allein zu sein und alleine damit umgehen zu müssen, weil kaum einer versteht und nachvollziehen kann was durchlebt wird. Wie es ist, mit einem Chaos im Kopf zu leben, Gedanken, die ihre eigenen Linien ziehen und Verknüpfungen setzen die absurd erscheinen, oder irgendwie auch nicht.
Im Kopf zwischen Ordnung und Unordnung zu leben
Das wird dem Leser auch selbst sehr nah getragen, indem die Geschichte dazu anregt, selbst Verbinungen zu ziehen, nicht wissenend ob da überhaupt welche sind.
 
"Vielleicht haben die Netzlinien, die sie [Schwarze Wittwe] ziehen, auch eine Bedeutung für sie, die der Rest der Spinnenwelt entgeht" [S. 103]

Das und noch vieles mehr konnte ich durch den Roman über Schizophrenie erfahren und mir ist bewusst, dass ein Buch, trotz einer sehr authentischen und nachvollziehbaren Schilderung, einem nur ein Bruchteil davon liefern kann, was Betroffene wirklich durchleben, aber es sensibilisert und klärt auf und das ist auch ein Hauptgrund, warum der Autor Kompass ohne Norden verfasst hat. Im Vorwort steht: "[...] Wir hoffen außerdem, dass es anderen helfen kann, Mitgefühl zu entwickeln und zu verstehen, wie es tatsächlich ist, die finsteren, unberechenbaren Gewässer der psychischen Krankheit zu befahrten." (S. 8).

Ein Anlass, dass Neal Shusterman jenes grandios gelingt, ist unteranderem sein Sohn, der Schizophrenie entwickelt hat und selbst auch am Buch mitgewirkt hat. Vieles im Roman soll an seiner Geschichte angelehnt sein, was auch daran zu erkennen ist, dass der Autor dem Buchcharakter ein essenzielles Hobby seines Sohns verliehen hat: Das Zeichen bzw. Malen. So sind in dem Buch auf einigen Seiten Gemälde seines Sohnes wiederzufinden, die nicht faszinierender sein könnten. Ich habe auch deswegen das Gefühl bekommen, dass Neal Shusterman das Verfassen des Buches ein persönliches Anliegen war, ebenso die realistische Darstellung der Krankheit.

Der Schreibstil ist ebenfalls dem sensiblen Thema angepasst. Die reale Welt habe ich dabei als kühler,  distanzierter und nüchterner wahrgenommen, eine Welt, mit der Caden nicht viel anfangen kann und er sich nicht verstanden fühlt. Seine "schizophrene Welt" ist dabei bedeutungsvoller, aber  furchteinflößend, überall lauern Gefahren. Es wird mit spannenden Metaphern gearbeitet, über die ich teilweise immer noch nachdenke und durch die ich Cadens Welt und das leben mit der Schizophrenie besser verstehen konnte. Bei der Erzählweise gibt es eine Überraschung, die ich hier allerdings nicht verraten werde, ich will dir den Lesegenuss nicht nehmen. Ich sage nur so viel: Es hat richtig Sinn ergeben, ab einem Abschnitt in dieser Weise die Geschichte zu schildern. 

"Irgendwo habe ich gelesen, dass Cent Münzen demnächst sowieso ganz abgeschaffen werden sollen - vermutlich, weil man mit ihnen bloß nur noch Gedanken kaufen kann. Auf Banknoten wird demnächst alles nur noch zum nächsten Fünfer aufgerundet. [...] Alle Einkaufssummen sind gesetzlich verpflichtet, auf null oder fünfzehn zu enden. Dazwischen wird nichts mehr erlaubt sein. Aber es gibt etwas dazwischen, auch wenn es alle leugnen."[S.66]

Weiter möchte ich dir eigentlich nichts verraten, am besten du erlebst das Buch selbst.Vielleicht kommt es dir am Anfang verwirrend vor und du verstehst die Welt nicht ganz. Aber ich würde dir empfehlen dich darauf einzulassen und mit Caden die Seiten dieser psychischen Erkrankung zu erkunden.

Fazit:

 Ich habe ein neues Lieblingsbuch gefunden.

 Ein Wunsch von mir ist es, dass ganz viele Norden ohne Kompass lesen und sich auf das Erlebnis einlassen. Psychische Erkrankungen wie Schizophrenie sind immer noch sehr stigmatisiert und oft wissen einige gar nicht, was genau dahinter steckt. Auf wissenschaftlicher Ebenden verrät das Buch nur teilweise etwas, dafür aber sehr gut aus der Sicht des Betroffenen. 

Ich kann es euch nur sehr ans Herz legen, mit Caden zu dem tiefsten Punkt der Erde zu reisen.